Jetzt ist Zait für Olivenöl: Interview mit Thomas Fuhlrott

Geburtstagsfeiern sind für vieles gut: man isst und trinkt viel und gut, trifft alte Bekannte wieder, und lernt neue Ideen und Menschen kennen. So war es letzten Sommer auf dem runden (ich sag nicht welchem) Geburtstag meiner ältesten Schulfreundin. Sie lebt seit langem in der Pfalz, war aber keine Frage, dass ich den Weg von der Nordseeküste  auf mich nahm. Unter den Gästen war auch eine Mitarbeiterin der Olivenölhandlung Zait aus Grünstadt, die mich neugierig machte auf die ganz eigene Philosophie des Unternehmens, die des Jahresvorrats.

Wissenswertes über Olivenöl

Da ich bis dahin in den Niederlanden keinen wirklich guten Lieferanten von Olivenöl gefunden hatte, bestellte ich dieses Frühjahr die ersten Öle: ein mildes Bio-Öl aus Arbequina Oliven aus Katalonien, ein kräftiges Coratina Bio-Öl aus Apulien und ein Tonda Iblea Öl aus Sizilien. Ich hatte mich bis dahin nicht wirklich mit Olivenölen beschäftigt, sondern laut den Beschreibungen die Öle ausgewählt, die interessant klangen. Und war überrascht. Die drei Öle schmecken wirklich vollkommen unterschiedlich. Das aus Katalonien ist sehr mild und fruchtig-nussig, das sizilianische ist spektakulär duftend und fruchtig, und das apulische – das schmeckt kräftig nach Bittermandel und hat eine ganz schön starke Schärfe im Abgang. Ein Geschmackserlebnis, das ich so noch nie hatte. Ob was nicht stimme mit dem Öl, wollte meine Tochter wissen und da ich mir nicht wirklich sicher war, fragte ich nach bei dem, der es wissen muss, Thomas Fuhlrott, der Mitbegründer von Zait. Der erklärte mir bereitwillig, dass Schärfe und Bittermandelaroma kein Fehler, sondern ein Qualitätsmerkmal der Öle aus Apulien seien und noch vieles mehr. Und so kam es zu dem folgenden Interview, in dem er über den ökonomischen Ansatzder Firma, über Fairness, Vertrauen und Qualität beim Handel und natürlich über Olivenöl spricht. Ich habe viel gelernt, unter anderem, das bitter nicht immer schlecht und nativ extra nicht immer gut bedeuten muss.

zait/mit freundlicher Genehmigung

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Das Interview

ETH: Du kommst ursprünglich aus dem Graphikdesign Bereich. Wie bist du zum Olivenölexperten geworden?

TF: Bis zur Gründung von Zait hatte ich überhaupt keine Ahnung von Olivenöl. Ich mochte es nicht, aber erst und heute weiß ich warum.

 

ETH: Warum?

TF: Ich habe mein Olivenöl als Student beim Discounter geholt und es hat für mich grässlich geschmeckt. Auch mein erster Spanienbesuch hat mich enttäuscht, weil dort im Billigsegment und in den Restaurants häufig auch schlechte Qualität zu finden ist. Erst über eine Studie, die ich publizistische begleitete, bekam ich Einblicke, wo die Unterschiede liegen. Ich habe 1998 dann eine richtige Ausbildung zum Olivenölverkoster gemacht und arbeite seitdem ehrenamtlich im Deutschen Olivenöl Panel (DOP) mit. 2001 habe ich denn zusammen mit meiner Schwägerin Tina Ottmann Zait gegründet.

 

Firmenname mit Bedeutung

ETH: Was steckt hinter Eurem Firmennamen?

TF: Zait ist das älteste Wort für Olive, es kommt aus dem semitischen Sprachraum. Der alte Name und ein modernes Konzept – diese Brücke zu schlagen, hat uns gefallen.

 

    Thomas Fuhlrott/zait©mit freundlicher Genehmigung

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ETH: Wie sieht dieses moderne Konzept aus?

TF: Wir legen Wert auf ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, größtmögliche Transpanrenz, ein gutes Verhältnis zwischen dem Produzenten und uns und natürlich Qualität. Mir ist im ganzen Lebensmittelbereich kein anderes Produkt bekannt, das so verfälscht, falsch deklariert und gepanscht wird wie Olivenöl. Wir müssen davon ausgehen dass 80% bis 90% aller Olivenöle auf dem Markt eher schlechter Qualität sind. Dem wollten wir eine Alternative entgegen setzen.

 

ETH: Ihr werbt mit der Zeile „Eine andere Art, Olivenöl zu handeln. Was genau macht ihr anders?

TF: Wir haben die Idee des Jahresvorrats, den ich aus meiner früheren Tätigkeit bei der Teekampagne kenne,  auf das Olivenöl übertragen. Olivenöl ist ja auch ein Produkt, das nur einmal im Jahr produziert wird. Und wie die Teekampagne verkaufen wir direkt ohne Zwischenhandel an den Endverbraucher.

 

ETH: Was heißt Jahresvorrat?

TF: In den meisten Läden gibt es Olivenöl in 1/2 Literflaschen zu einem bestimmten Preis. Wir verkaufen 65% unseres Öls in 3 Litergebinden. Damit können wir hohe Qualität zu einem erschwinglichen Preis anbieten.

 

ETH: Eure Öle kommen aus Spanien, Italien, Griechenland und Portugal. Olivenöl aus Frankreich fehlt. Warum?

TF: Aus zwei Gründen: Transparenz und das Preis-Leistungsverhältnis stimmten für uns nicht. Frankreich gehört von den Mengen her nicht wirklich zu den Olivenöl produzierenden Ländern. Das Land produziert 5700 t Olivenöl, Spanien produziert 900 000 t Olivenöl. Aufgrund der keinen Menge und der großen Show, die sie um ihr Öl in Frankreich machen, sind sie exorbitant teuer. Und – das meiste Olivenöl wird in Südfrankreich produziert, da ist die Nähe zu Spanien sehr groß. Es gibt immer wieder Leute, die kaufen Oliven oder Öl in Spanien und verkaufen es als französisches.

 

ETH: Nach welchen Kriterien sucht Ihr Eure Produzenten aus?

TF: Qualität ist das wichtigste Kriterium. Wir machen nur sortenreine Öle. Das meiste Öl wird verblendet, also gemischt, um bestimmte Fehlattribute oder Schwächen zu überdecken. Es gibt heute aber auch richtige Cuvées wie beim Wein. Wir haben uns für die sortenreinen Öle entschieden, um die typische Sorte aus der Region vorzustellen. Dafür brauchen wir geeignete Produzenten, die das in guter Qualität und zu einem vernünftigen Preis tun können. Wir fahren zu jedem potentiellen Produzenten, sehen uns alles an und dann machen wir einen Testlauf, ob der auch zwei oder drei Jahre eine gute Qualität produziert. Erst dann kommt der ins kontinuierliche Sortiment. Weil wir unsere Produzenten jedes Jahr besuchen, müssen wir das Sortiment überschaubar halten. Ich verkoste jedes Jahr das Öl, dann macht das Panel noch mal einen Test und dann geht es ins Labor.

 

Test und Analyse

ETH: Was wird dort untersucht?

TF: Zum einen der Säuregrad.  Das ist der Anteil der unerwünschten freien Fettsäuren im Olivenöl. Die können bei Verletzung der Oliven oder bei einem fehlerhaften Produktionsprozess entstehen. Zum Beispiel wenn ich Oliven ernte und sie zu lange stehen lasse, dann geht der Säuregrad schon hoch. Natives Olivenöl extra darf laut EU Norm einen Säuregrad von 0.8 % nicht überschreiten. Der DOP Standard aus Italien sagt 0.5 %. Unsere Öle liegen da noch drunter.

 

    Thomas Tina Ottmann/zait©mit freundlicher Genehmigung

Thomas Tina Ottmann/zait©mit freundlicher Genehmigung

ETH: Welche anderen Werte sind noch relevant?

TF: Die Peroxydzahl. Die sagt was aus über die Frische des Öls. Ich schaue mir diese beiden Werte an und vergleiche, ob die korrelieren mit dem, was wir geschmeckt haben.

 

ETH: Wie steht es mit Pestiziden?

TF: Auch die untersuchen wir, außerdem noch Insektizide, Weichmacher und Polyphenole. Jeder Kunde, der bei uns kauft, bekommt alle Ergebnisse. Wir machen daneben auch noch eine Photospektronomie. Dabei wird Licht durch das Öl geschickt. Man kann sehen, ob es zu hoch erhitzt wurde oder ob es vermischt wurde. Wir haben übrigens, was die Laborqualität angeht, in Deutschland das höchste Niveau in Europa. Für die Untersuchung von Weichmachern im Olivenöl gibt es zum Beispiel in ganz Spanien kein Labor.

 

ETH: Spielt Olivenöl aus Bioanbau dann gar keine Rolle in Eurem Sortiment?

TF: Doch natürlich. Ich bin grundsätzlich für bio, da wo es möglich ist. Beim Olivenöl ist das Problem, dass einen Hauptfeind der Olive gibt, die sogenannte Olivenfliege. Die bohrt sich in die Oliven am Baum und legt Eier ab. Dann fangen die Oliven an, am Baum zu oxidieren. Wenn der Fliegenbefall zu groß ist, kann man kein gutes Öl produzieren. Dann muss man spritzen. Mit biologischen Fliegenfängern wird der Befall nicht verhindert, da kann man machen, was man will.

 

Klimatische Bedingungen

ETH: Spielt das Klima beim Fliegenbefall eine Rolle?

TF: Die Fliege ist wetterabhängig,  bei über 30 Grad und trockenem Klima kommt sie nicht. In Regionen über 500 m Höhe gibt es keine Olivenfliege und über 650 m gibt es keine Olivenbäume mehr. Es ist also ein sehr schmaler Streifen, in dem man kontinuierlich Bio-Öle in guter Qualität herstellen kann.

 

zait/mit freundlicher Genehmigung

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ETH: Was sagen eigentlich die Qualitätsbezeichnungen beim Olivenöl aus?

TF: EU weit definiert sind drei Kategorien: natives Olivenöl extra, natives Olivenöl und nur Olivenöl. Wenn das extra fehlt, dann darf der Säuregrad höher sein. Olivenöl ohne nativ und extra ist ein Raffinat.

 

ETH: Was heißt das?

TF: Bei diesen Ölen wird der Ölkuchen raffiniert.  Es werden Lösungsmittel zugesetzt und diese Lösungsmittel werden dann wieder durch Hitze verdampft. Dann erhält man ein geruchs- und geschmacksneutrales Öl, dem dann wieder etwas Olivenöl zugesetzt wird. In Spanien wird solches Öl verkauft.

 

Bezeichnungen für Olivenöl

ETH: Und in Deutschland?

TF: Alles Olivenöl in Deutschland hat die Bezeichnung  nativ extra, egal ob der Liter 2,30 Euro oder 50 Euro kostet. Die Lobbyarbeit ist stärker geworden und dadurch wird verhindert, dass die besseren Olivenöle eine feinere Klassifizierung bekommen.

 

ETH: Hast du dafür Beispiele?

TF: Im sensorischen Bereich zum Beispiel sagt die Vorschrift, dass ein natives Olivenöl extra keinen Fehler haben darf. Nur wenn das Öl fehlerfrei ist, darf es sich nativ extra nennen. Dann gibt es eine Intensität dieser Fehler. Bis vor vier Jahren galt: Bei einer Fehler-Intensität von 2,5 war es ein Lampant-Öl, also für den Verzehr nicht geeignet. Dann hat man per Dekret die Grenze der Fehlerintensität auf 3,5 angehoben.

 

ETH: Kann ich ein solches Öl als Kunde erkennen?

TF: Eigentlich muffeln diese Öle ziemlich. Deshalb hat man ein Verfahren zugelassen, die sogenannte Desodorierung. In einem Hochdruck-Vakuum-Verfahren werden diese Lampant-Öle gereinigt. Dieses Verfahren ist nicht kennzeichnungspflichtig. Als Kunde sehe ich also auf dem Etikett nicht, ob ein Öl behandelt ist.

 

Qualitätsbestimmung durch Olivenöl-Panel

ETH: Wer bestimmt, ob ein Öl fehlerhaft ist?

TF: In der Regel ein Olivenöl-Panel. Das ist eine Verkostergruppe, die aus mindestens 8 Mitgliedern bestehen muss. Wir arbeiten alle ehrenamtlich.

 

zait/mit freundlicher Genehmigung

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ETH: Und wie funktioniert das?

TF: Wir vom Panel bekommen die Öle meist zugeschickt. Es gibt definierte Fehlerattribute wie zum Beispiel ranzig oder stichig.

 

ETH: Was passiert, wenn ihr einen Fehler entdeckt?

TF: Dann müssen mindestens 75% der Tester übereinstimmen. Das heißt, 6 Tester müssen sich für das gleiche Fehlattribut entscheiden. Die Produzenten kennen die Panelkriterien aber genau. Also können sie uns ausspielen, indem sie die Öle so verschneiden, dass die Fehler nicht mehr klar differiert herauskommen. In einem solchen Fall sagen vielleicht zwei Tester Fehler A, zwei sagen Fehler B, zwei sagen Fehler C. Dann gilt das Öl als fehlerfrei.

 

ETH: Was macht Ihr dann?

TF: Es gibt Öle, die können wir unserer Meinung nach nicht als fehlerfrei durchgehen lassen, dann einigen wir uns auf ein Attribut, sagen wir mal auf ranzig. Dann sagt der Hersteller, das glauben wir nicht, unser Öl ist nicht ranzig. Er darf sich dann eines von rund 75 in Europa zugelassenen Olivenölpanels aussuchen und sein Öl einschicken. Jetzt geht es denen wie uns, die sitzen auch zusammen und sagen grausig, können wir nicht durchgehen lassen. Sie sagen stichig. Auch dann gilt das Öl als fehlerfrei. Deswegen haben wir diese ganze Masse von durchschnittlich dumpf schmeckenden Olivenölen.

 

Geschmacks-Unterschied

ETH: Es gibt milde und kräftige Olivenöle. Woher kommt der Unterschied?

TF: Das liegt immer an der Sorte. Wenn ich intensivere Öle habe, steigt die Fruchtigkeit, gleichzeitig steigen der Bitterton und die Schärfe. Die Bittertöne und die Schärfe werden durch die Polyphenole hervorgerufen, da sind die Antioxidantien. Die Faustregel ist, je stärker der Bitterton, je stärker das Kratzen im Hals, je gesünder ist das Öl. Es aber auch bittere und kratzige Öle von schlechter Qualität.

 

ETH: Wie erkenne ich als Kunde ein gutes Olivenöl?

TF:  Jedes gute Olivenöl sollte, wenn es frisch ist, in der Nase ein bisschen fruchtig riechen, nicht nur nach Olive, sondern auch nach Früchten wie Apfel oder Zitrone. Wenn ich das rieche, dann kann das Öl schon mal nicht ganz schlecht sein. Beim Verkosten sollte sich der Geruch vorne auf der Zunge bestätigen. Dann taucht ein Bittermandelton auf, bei milden Ölen weniger, bei kräftigen mehr. Der Bitterton taucht am Gaumen auf. Wenn ich es hinunter schlucke, dann kommt eine leichte Schärfe. Auch die ist in der Intensität unterschiedlich. Wenn die Schärfe und der Bitterton abklingen und ein angenehmer Geschmack zurück bleibt, dann ist es ein gutes Öl.

 

eintopfheimat©2013

eintopfheimat©2013

ETH: Ist gutes Olivenöl automatische immer teuer?

TF: Es gibt eine Untergrenze. Für Deutschland ist es meiner Meinung nach für unter 10 Euro der Liter unmöglich, ein gutes Öl zu bekommen. Eher geht es noch etwas nach oben. 70 % vom Einkaufspreis geht allein in die Arbeit.

 

Lieblingsrezept

ETH: EINTOPFHEIMAT ist ja ein Foodblog. Deswegen zum Ende noch eine ganz konkrete Frage zur Verwendung von Olivenöl in der Küche. Stimmt es eigentlich, dass Olivenöl nicht über 180 Grad erhitzt werden sollte, weil dann Karzinome  frei werden?

TF: Seit hunderten von Jahren wird im gesamten mediterranen Raum mit Olivenöl gekocht und gebraten. Die Faustregel geht ganz ohne Thermometer: Solange es nicht raucht und qualmt aus der Pfanne, solange ist es nicht zu heiß geworden. Wenn das Öl raucht, dann fängt es allerdings an, sich zu zersetzen. Aber man kann damit backen, braten kochen und übrigens auch Fondue damit machen.

 

ETH: Was ist dein persönliches Lieblingsrezept mit Olivenöl?

TF: Das ist schwer, weil es so viele Möglichkeiten gibt. Also ich gebe zwei, okay.

 

ETH: Nur zu.

TH: Nummer eins ist mein Basilikum-Pesto. Ich nehme dazu 1 Bund Basilikum, 5 Walnusskerne, 1 bis 2 EL Pistazienkerne, eine durchgepresste Knoblauchzehe, frisch geriebenen Pecorino-Käse und zirka 1 TL Salz. Das zerkleinere ich zusammen in der Maschine. Die Masse gebe ich in eine Schüssel und gieße solange ein kräftiges Öl zu, bis das Öl auf der Masse stehen bleibt. Passt super zu Nudeln.

 

ETH: Und Nummer zwei?

TF: Wem das zu kompliziert ist,  für den habe ich eine schnelle Alternative, dich ich mache, wenn zum Beispiel wenn Besuch kommt. Ich nehme weichen Schafskäse, Kräuter der Provence und Olivenöl aus Kreta, vermische alles zu einer Paste und serviere die einfach mit Brot.

ETH: Thomas Fuhlrott, danke für das Gespräch.

Disclaimer: Das Interview wurde nicht gesponsort und kam unabhängig zustande.

 

1 Kommentar
  1. Sehr gute Beschsprechung http://www.aceitecsb.es

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