Mini-Lebkuchen: Rettung in der Diaspora

Weihnachtszeit ist Zeit für Lebkuchen – diese Prägung wird man nicht los, wenn man wie ich in Franken aufgewachsen ist. Ich erinnere mich lebhaft wie ich als noch nicht mal schulpflichtige Knirpsin mit meiner Mutter in der winzigen Konditorei meiner Kleinstadt stand. Dort herrschte eine imposante Verkäuferin in blütenweißer gestärkter Schürze über ein köstliches Lebkuchenreich.

Nicht nur für Elise

Ich konnte kaum über die Ladentheke blicken, verfolgte aber mit Adleraugen jeden ihrer Handgriffe. Mit einer Gebäckzange hob sie die handgefertigten Elisenlebkuchen mit dickem Schokoladenguss aus der Auslage und ließ sie vorsichtig in eine weiße Papiertüte gleiten. Diese Tüte trug ich durch den Schnee nach Hause. Ich konnte es kaum erwarten, sie zu öffnen und den Geschmack von Nüssen und Weihnachtsgewürzen auf der Zunge zu spüren.

Fränkische Mini Lebkuchen Hersbruck

©Hans Steinbauer

Kleine Geschichte der fränkischen Lebkuchen

Das ist lange her. Die Konditorei gibt es nicht mehr und hier in Holland ist die Lebkuchenlage mehr als schlecht. Zwar findet man im Bioladen Importware aus Deutschland, aber die schmeckt nicht wirklich gut und hat mit den „authentischen“ Lebkuchen aus Nürnberg nicht viel zu tun. Apropos authentisch. Die Mär, dass die Lebkuchen in Nürnberg erfunden wurden, stimmt so nicht. Auch Basel und Aachen blicken auf eine lange Tradition zurück.

Braune und weiße Lebkuchen

Der heute bekannte Elisenlebkuchen, den ich in meiner Kindheit nach Hause trug und der höchstens 10% Mehl enthalten darf, der ist für Nürnberg erst ab 1850 verbürgt. Vor dieser Zeit ähnelten die Lebkuchen aus Franken den Aachener Printen. Das erklärte mir Walter Gebhardt vom Nürnberger Stadtarchiv. Und belegt diese Aussage einem Rezept aus dem Kochbuch der Sabina Welserin, das 1553 in Nürnberg erschien. Der Teig besteht aus Honig, Zucker, Mehl, Eiern und Gewürzen wie Zimt, Nelken und Muskat. Er musste über Nacht ruhen, wurde in Modeln gebacken und mit Rosenwasser bestrichen. Die Nürnberger Lebküchner stellten bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts ausschließlich diese braunen Lebkuchen her, deren Hauptsüßungsmittel Honig aus dem Nürnberger Reichswald kam. Der ebenfalls notwendige Rohrzucker und die Gewürze wurden importiert und da half es, dass Nürnberg an der Handelsroute nach Fernost und dem Orient lag. „Der Nürnberger Lebkuchen wurde bekannt, weil er mit Kaufleuten auf die Reise geschickt wurde und weil es einen großen Absatzmarkt in der Stadt gab,“ erklärt Walter Gebhardt. Nürnberg zählte mit circa 40 000 Einwohnern zu den fünf größten Städten im deutschen Reich. Es gab übrigens auch eine Qualitätskontrolle, die „Kieser“. Diese Tester waren vom Rat der Stadt angestellt und prüften die Lebkuchen durch Blindverkostung. Ganz schön fortschrittlich.

Serielle Produktion

Wer es sich leisten konnte, der kaufte die Lebkuchen rund ums Jahr – die Verbindung mit Weihnachten ist ein Produkt der Industrialisierung der Lebkuchenproduktion. Die begann mit der günstigen Verfügbarkeit von Zucker aus Rüben um 1850. Die serielle Herstellung der sogenannten weißen Lebkuchen, die mit Zucker und Nüssen gebacken wurden, fällt in die Zeit der allgemeinen Industrialisierung.

Spannend, diese kleine Lebkuchen-Geschichte, die ich so noch nicht kannte, und für deren Erläuterung ich Walter Gebhardt ganz herzlich danke. Wer mehr über Nürnbergs historische Kulinarik wissen möchte, der sei auf Walter Gebhardts Aufsätze zur älteren Nürnberger Kochbuch-Literatur und zu den Nürnberger Kochbüchern im 18. und 19. Jahrhundert verwiesen.

Mini-Lebkuchen

Jetzt aber zurück zu meiner Interpretation der Nürnberger Elisenlebkuchen. 10% Mehl: stimmt. Nüsse: stimmt. Ich habe allerdings nur Haselnüsse verwendet, weil die sind meiner Meinung nach echt unterschätzt. Gewürze: stimmt. Form: stimmt. Größe: da hab ich geschummelt. Meine Mini-Lebkuchen haben nur Plätzchengröße, aber dafür habe ich ihnen einen Guss aus Rosenwasser und Zucker gegönnt, inspiriert vom Rezept der Sabina Welserin. Du brauchst weder Pottasche noch Hirschhornsalz zum Backen und notfalls kannst du auch auf die Oblaten verzichten, so dass die Lebkuchen auch expat-tauglich sind. Die Teigmenge ergibt circa 25 Mini-Lebkuchen.

Mini Lebkuchen mit Rosenwasserglasur

Land & Region Deutschland
Portionen 24 Stück

Zutaten
  

  • 250 g gemahlene Haselnüsse
  • 50 g Orangeat
  • 50 g Zitronat
  • 100 g brauner Zucker
  • 25 g Mehl
  • 3 Eier
  • 1 EL gemahlener Zimt
  • 1/2 EL gemahlener Kardamon
  • 1 TL gemahlene Vanille
  • 2 EL Wasser
  • Plätzchen-Oblaten
  • Für den Guss
  • 4 EL Rosenwasser
  • 5 EL Puderzucker

Anleitungen
 

  • Ofen auf 175°C Ober-/Unterhitze voheizen.
  • Zitronat und Orangeat fein hacken und mit den gemahlenen Haselnüssen vermischen.
  • In einer zweiten Schüssel Mehl mit den gemahlenen Gewürzen vermischen.
  • Eier trennen. Eiweiß in einem separaten Behälter steif schlagen.
  • In der Küchenmaschine oder mit dem Handrührgerät Eigelb, Zucker und Wasser circa 3 Minuten zu einer cremigen Masse verrühren.
  • Mit der Hand erst die Nussmischung, dann die Mehlmischung unterrühren. Achtung, der Teig wird zunächst sehr fest.
  • Nun das geschlagene Eiweiß unterheben und gut vermischen.
  • Ein Backblech mit Plätzchen-Oblaten auslegen, dabei genügend Abstand zwischen den einzelnen Oblaten halten, da die Mini Lebkuchen etwas auslaufen.
  • Lebkuchenmasse in einen Spritzbeutel mit breiter Öffnung füllen und jede Oblate mit einem großzügigen Tupfen Teig befüllen. Alternativ die Masse mit dem Löffel aufbringen.
  • Im Backofen circa 13-15 Minuten oder bis die Mini Lebkuchen gar sind backen.
  • Auf einem Kuchengitter auskühlen lassen.
  • Für den Guss Rosenwasser und Puderzucker zu einer relativ flüssigen Glasur verrühren und die erkalteten Lebkuchen damit überziehen.
  • Austrocknen lassen und in einer Blechdose aufbewahren.
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2 Kommentare
  1. Das schaut mal lecker aus. Da möchte man direkt zugreifen.

  2. Danke für diese schöne Geschichte.

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