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Buchrezension – Die Irren mit dem Messer

Verena Lugert Die Irren mit dem Messer

Die Irren mit dem Messer – der Titel des Buchs klingt nach Horrorkrimi. Dabei beschreibt Autorin Verena Lugert eine Welt, die damit rein gar nichts zu tun zu haben scheint: die Küchen der Haute Cuisine. Der Nachdruck liegt auf dem Wort „scheint“. Denn Lugerts Rekapitulation ihres Selbstversuchs als commis de cuisine in einem Restaurant von Gordon Ramsay zeigt auf eindringliche und authentische Weise, dass Wahnsinn und Perfektion in der Küche nahe beieinander liegen.

Die Irren mit dem Messer – Von der Journalistin zur Köchin

Warum tut sich die Autorin, eine erfolgreiche Journalistin, ein Leben mit Sechszehnstunden-Schichten, Rückenschmerzen und Drill bis zum Umfallen an? Die Frage stellt sich Verena Lugert immer wieder selbst. Und findet die Antwort in der Erfüllung eines Kindheitstraums. Schon immer wollte sie eine richtige Köchin werden. Also beschließt sie an einem Strand auf Bali, ihren Job an den Nagel zu hängen und absolviert einen siebenmonatigen Intensivkurs am Londoner Ableger der berühmten Kochschule Le Cordon Bleu. Nach dem Ende der Ausbildung und dem Diplom in der Tasche startet Verena Lugert ihre neue Karriere in einem der angesagten Londoner Restaurants von Ramsay.

Maschinerie Haute Cuisine

Mit genauer Beobachtungsgabe und einer mutigen Portion Selbstreflexion beschreibt Verena Lugert, was die Verwirklichung ihres Traumes in der Realität bedeutet. Als „Jungköchin“ gerät sie in eine Küchenmannschaft, die halb so alt ist wie sie, aber hundert mal mehr Erfahrung besitzt. In den ersten Wochen erlebt sie auf schmerzhafte Weise, was es bedeutet, ein Sandkorn in der Maschinerie eines eingespielten Teams zu sein: die kleinste Unaufmerksamkeit ihrerseits bringt die Abläufe in  der Küche nachhaltig durcheinander. Häme und Spott, Erschöpfung und Frustration gehören zu ihrem Arbeitsalltag.

Streben nach Perfektion

Um in dieser Welt mit ihren eigenen Regeln und Gesetzen zu überleben, ist neben einer robusten Gesundheit auch eine gute Portion Masochismus nötig. Und der Wille, sich der strengen Hierarchie in einer Küchenbrigade mit Haut und Haar zu unterwerfen. An Lugerts Arbeitsplatz unterliegt alles dem Streben nach dem perfekten Gericht. Für das Erreichen dieser Perfektion ist kein Preis zu hoch:

„Köche sind fast immer extreme Menschen, sie scheinen einen anderen Hirnstoffwechsel zu haben als normale Menschen. Es ist, als würden ihre Rezeptoren mehr von allem brauchen: vom Stress, vom Schmerz, von der Euphorie. Bloß vom Schlaf nicht.“

Nicht nur für Kochenthusiasten

Lugerts Blick hinter die Kulissen der Haute Cuisine ist spannend wie ein Krimi und so gut geschrieben, dass man mitfiebert, ob aus der eigensinnigen und hochmütigen Anfängerin schließlich doch ein vollwertiges und geschätztes Mitglied des Küchenteams wird. Die Irren mit dem Messer ist aber nicht nur ein Buch für Kochenthusiasten. Es es zeigt exemplarisch, wie Menschen mit einem Ziel vor Augen über sich hinauswachsen können, aber auch, dass der stärkste Wille nicht reicht, wenn der Körper streikt. Ich habe nach der Lektüre größten Respekt für all die „Irren“, die in den Sterneküchen der Welt arbeiten. Und für Verena Lugert, die sich ihren Kindheitstraum, zumindest temporär,  erfüllt hat. Zeit, um über die eigenen Träume nachzudenken!

Verena Lugert: Die Irren mit dem Messer
Hardcover, Knaur HC
01.03.2017, 272 S.
ISBN: 978-3-426-21424-4

Zur Autorin

Verena Lugert studierte Literatur in München, Valencia und Lissabon. Sie unterrichtete ein Jahr als Lektorin an der Universität in Shanghai und eines in Malaysia, absolvierte in Hamburg die Henri-Nannen-Schule, war Stipendiatin in Peking und Redakteurin bei NEON. Danach arbeitete sie frei, pendelte sieben Jahre zwischen Bali und Hamburg, verantwortete die Buchseiten der Schweizer Frauenzeitschrift ANNABELLE und der NEON und schrieb Reportagen für STERN, GEO und MERIAN.

 

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