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Viel mehr als eine Backform: Der Zeeuwse Knop

„De knop gaat om“ ist in den Niederlanden ein gängiges Sprichwort und bedeutet, dass es nicht so weitergehen wird wie bisher. Dass Veränderung angesagt ist und dass man eine neue Richtung einschlagen will. „De knop gaat om“ – dieses Sprichwort hatte für Tinka Leene aus dem seeländischen St. Laurens eine doppelte Bedeutung. Es war nicht nur das Versprechen ihres Sohnes, es besser zu machen, nachdem er durchs Schulexamen gerasselt war, es war auch der Anstoß, ihr eigenes Leben neu auszurichten. Und zwar sprichwörtlich durch einem Knopf. Dieser traditionelle Silber- oder Goldschmuck der südwstlichsten Provinz der Niederlande diente ihr als Inspiration für die Entwicklung einer Backform, die einen Siegeszug durch die Welt angetreten hat.

Zeeland erspüren

Ich entdeckte die Form vor ein paar Monaten in einem Küchenshop in Leiden. Ohne zu wissen, welch spannende Geschichte sich dahinter verbarg, kaufte ich ein Exemplar und das dazu gehörige Buch. Beides lang erst einmal im Arbeitszimmer, weil andere Projekte Vorrang hatten. Als ich in einer ruhigen Minute durch das Kochbuch blätterte, das nicht nur Rezeptbuch ist, sondern in dem Tinka auch ihre Geschichte erzählt, da wurde ich neugierig, sehr neugierig. Ich schrieb ihr und bat sie, mir ein per email oder telefonisch ein paar Fragen zu beantworten. Zurück kam eine herzliche Antwort und die Einladung, sie in Zeeland zu besuchen. Denn um den Erfolg des Projekts richtig verstehen zu können, müsse ich das Land und seine Menschen mit allen Sinnen erspüren.

steinbauer-groetsch©2014

Offen und unkonventionell

So stehe ich wenig später an einem strahlend blauen Wintertag gespannt und mit vielen Fragen vor ihrer Haustür in St. Laurens, einem Ortsteil von Middelburg, der Provinzhauptstadt. Tinka ist offen und unkonventionell und nimmt mich bei einem kopje koffie und einem zeeuwse bolus, einer Art Zimtschnecke, direkt mitten hinein in ihr Leben.

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Das ist eng mit Zeeland verbunden, obwohl sie ursprünglich aus Enschede  stammt. Doch schon in ihrer Kindheit verbringt sie die Sommerferien in der Provinz der vielen Inseln. Mit Anfang zwanzig entschließt sie sich, dort sesshaft zu werden. Sie heiratet in ein altes Bauerngeschlecht und zieht drei Söhne groß.

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Kunst mit Engagement

Beruflich engagiert sich Tinka Leene im künsterlisch-sozialen Bereich, immer wieder verlässt sie zeitweise die neue Heimat und betreut in Afrika und Südamerika Projekte für Warchild und Art for All. Dort erlebt sie, wie viel Kraft  in der Entdeckung der eigenen Kreativität steckt.

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Wo alles begann

Wie zum Beweis stehen wir wenig später am weitläufigen Strand von Zoutelande, wo ihre Erfolgsgeschichte an einem Freitag 2008 den kreativen Anfang nahm. Verwitterte Holzpfähle recken sich in den stahlblauen Himmel, in der Ferne zieht ein Dampfer vorbei. Der ideale Platz zum Nachdenken nach dem verpatzen Examen ihres Ältesten: „Ich spielte an meinem Ring, einem zeeuwsen Knopf, und dachte an die Worte meines Sohnes – de knop gaat om. Und ich spürte – bei mir auch.“

An diesem Tag kam ihr die Idee, eine Backform auf der Grundlage der traditionellen silbernen und goldenen Schmuckknöpfe zu entwerfen, die in Zeeland lange Zeit Ausdruck von Wohlstand und Stolz waren, und sowohl von Männern als auch von Frauen getragen wurden.

Backform für alle

Tinka verfolgte ihr Ziel mit der ihr eigenen Hartnäckigkeit. Künstlerische Erfahrung hatte sie, ökonomische nicht. „Ich bin keine Unternehmerin, ich bin eine kreative Denkerin,“ sagt sie von sich selbst. Was sie aber nicht hinderte, sich mit jener Mischung aus Euphorie und Pragmatismus in das Projekt zu stürzen, die in den Niederlanden hinter vielen Erfolgsgeschichten steckt: „Du musst nicht alles können, du kannst andere um Rat fragen. Aber du musst es auch tun.“ So präsentierte sie ihre Idee an der Hogeschool Zeeland einem Saal voller Studenten. Mit vier von ihnen erstellte sie dann das Marketing-Konzept: „Die Backform sollte nicht allein Großmütter und Mütter ansprechen, sondern alle Altersschichten und gesellschaftlichen Gruppen. Und sie sollte ein Symbol für die reiche kulturelle Tradition der Provinz werden.“ Das Konzept überzeugte. Gleich mehrere Banken und private Investoren hatten Interesse, so dass sie sich einen geeigneten Partner aussuchen konnte.

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Zahl mit Bedeutung

Tinka machte sich an das Entwerfen der Backform, was nicht einfach war, denn einerseits musste sie auf den ersten Blick als „Knop“ zu erkennen sein, andererseits bedurfe es einer gewissen Stilisierung, um sie backtauglich zu machen. Sie wählte die Zahl zwölf für die Verzierungen, denn nach ihrer Ansicht hat diese Ziffer in vielen Kulturen eine tiefere Bedeutung.

Die Produktion der ungewöhnlichen Form ist aufwendig. Die Rohlinge werden in Portugal hergestellt, das Silikoncoating bringen Mitarbeiter einer Firma in Winterswijk per Hand an.

Ende 2010 kamen die ersten 2010 Back-Exemplare zunächst nur in Zeeland auf den Markt und waren innerhalb einer Woche ausverkauft. Ein riesiger Erfolg für das Projekt.

Vertrieb mit Bedacht

Mittlerweile gibt es nicht nur Kuchen- sondern auch Brot- und Cookie-Formen. Die „Knöpfe“ sind in Zeeland überall präsent. Im Dorfladen, der frisches Gemüse vertreibt, in der Mühle, wo auch ihre Backmischungen gemahlen und verpackt weren. Den Vertrieb organisiert Tinka Leene nach wie vor selbst. Sie wählt die Läden aus, stattet den Besitzern immer einen Besuch ab und stellt so sicher, dass die Backform nur in einer hochwertigen Verkaufsumgebung präsentiert wird, zum Beispiel in Designerläden oder Buchhandlungen.

steinbauer-groetsch©2014

Die Popularität des zeeuwse knop ist nicht auf Holland beschränkt. Menschen verschicken ihn oder geben ihn weiter. Fast 40 000 Back- und Brotformen sind in rund 40 Ländern im Einsatz. Die Marienschwestern in Darmstadt zum Beispiel backten darin das Rezept einer Mitschwester aus Paraguay und gaben danach die Form nach Australien weiter.

Symbol von Zeeland

Auf die Frage, wie sie sich diesen Erfolg erklärt, hat Tinka Leene zwei Antworten. Zum einen seien es ganz handfeste Dinge wie das ungewöhnliche Design, die ansprechende Verpackung und das liebevoll gestaltete Leporello als Beilage. Aber was ihr noch wichtiger erscheint, sei etwas anderes. Die Backform sei zum Kennzeichen Zeelands geworden. Und darüber hinaus zu einem universellen Symbol: „Mein zeeuwser knop ist wie das Leben, da wird uns auch nur die Form gegeben, aber mit Inhalt füllen müssen wir sie selbst.“

steinbauer-groetsch©2014

Das gelingt Tinka auf sehr eindrückliche Weise. Denn obwohl sie seit 10 Jahren unter Multipler Sklerose leidet, erwähnt sie dies nur in einem Halbsatz, weil sie nicht möchte, das ihre Krankheit in den Vordergrund rückt. Ihr geht es um das kreative Potenzial, das in ihrer Idee steckt. Und das scheint unbegrenzt. Nicht nur neue Produkte wie Küchenmagnete hat sie entwickelt. Auch das  Zeeuwse-Knop-Kochbuch, das sie 2013 schrieb, ist ein voller Erfolg. 15 000 verkaufte Exemplare und die Auszeichnung zum besten historischen niederländischen Kochbuch beim World Cookbook Award 2013 sprechen für sich.

Grund genug, sich auf dem Erfolg auszuruhen. Aber nichts liegt Tinka Leene ferner. Sie hat noch viele Ideen und lässt sich auch von den zahlreichen Nachahmungen wie Seife oder Bonbons in Knopfform nicht aus der Ruhe bringen: “ Ich mache keine Pläne. Ich stehe jeden Tag auf und bin offen für die neuen Dinge, die mir über den Weg laufen.“ Im Mai fliegt sie erst einmal nach Peking, um den Kochbuch-Preis abzuholen.

Mehr Informationen zum Zeeuwsen Knop gibt es hier. Im nächsten Post steht das preisgekrönte Backbuch im Mittelpunkt. Dazu gehört natürlich auch ein Rezept, das Tinka für EINTOPFHEIMAT in ihrer Küche gebacken hat.

 

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