Mit kräftigen Schritten zieht Freya, die 20jährige Brabanter Stute, den Karren, auf dem ich sitze, zum Meer. Der Sand staubt wie Puderzucker unter ihren Hufen, die Weidenkörbe und Fangnetze auf der Ladefläche zittern leise. Johan Casier neben mir lenkt sein Pferd mit lockeren Zügeln durch die schaulustige Touristenmenge, die den Zug der Pferdefischer an diesem heißen Sommertag in Oostduinkerke begleitet.
Pferdefischer – Passion und Tradition
Johan ist einer der letzten Krabbenfscher zu Pferd in Flandern, Vertreter einer über 500 Jahre alten Tradition, die von der UNESCO in das immaterielle Erbgut der Menschheit aufgenommen wurde. Während Freya stoisch einen Schritt vor den nächsten setzt, erklärt er mir seine Kunst.
Er ist Pferdefischer der dritten Generation und hat das Handwerk von seinem Großvater gelernt, der Umgang mit den Pferden, das Hantieren mit den Netzen, die raue See – all das erfordert eine Menge Erfahrung. Es dauert einige Jahre, bis die Pferde so weit trainiert sind, dass sie sich mit ihren Reitern ins Meer wagen, eine ganz spezielle Verbindung zwischen Pferd und Mensch, die auf Vertrauen und Erfahrung von beiden Seiten basiert.
Geduldig an der Wasserfront
Freya hat dieses Vertrauen ganz offensichtlich. Sie wartet geduldig an der Wasserfront, die wir in der Zwischenzeit erreicht haben.
Johan koppelt mit geübten Bewegungen den Karren ab und legt das Netz an. Das Meer ist ruhig und träge an diesem schwül warmen Sommertag, die Brabanter Stute scheint die kühlenden Wellen zu genießen, die ihre stämmigen Beine umspülen.
Männerdomäne mit Ausnahme
Eigentlich sind die Sommermonate keine Nordseekrabben-Zeit, denn das Wasser ist viel zu warm für einen großen Fang. Den Touristen zuliebe zeigen die Pferdefischer von Oostduinkerke aber trotzdem regelmäßig ihr Handwerk. Sie sind die Attraktion des Küstenstädtchens und stolz darauf. Hunderte verfolgen an diesem Tag mit mir, wie Johan und seine neun Kollegen ruhigen Schrittes ins Wasser reiten und langsam entlang der Küstenlinie ihre Netze durchs Meer ziehen.
Es ist eine eigene Welt, eine Männerdomäne, die strengen Gesetzen und Hierarchien gehorcht. Vor einiger Zeit hat sich auch eine Frau unter die Pferdefischer gewagt. Leider ist sie aber nicht vor Ort – ich hätte sie zu gerne kennengelernt.
Richtige Saison
In Oostduinkerke sind die Bedingungen für die Pferdefischer besonders gut. Das Wasser ist flach, es gibt keine Wellenbrecher und die Krabben kommen dicht ans Ufer. Wenn die Touristen verschwunden sind, beginnt für Johan und seine Kollegen ihre eigene, ihre eigentliche Saison. Denn dann hat das Wasser mit 4 bis 12 C° die richtige Temperatur für die Nordsee-Delikatesse. An guten Tagen fischen sie schon mal 8 kg Krabben pro Pferd aus dem Meer.
Leben kann aber niemand mehr vom Fischen zu Pferd, was früher ein Fulltime-Job war, ist nur mehr ein Hobby. Die Ausbeute wird direkt zu Hause gekocht und dann an Familie und Freunde weiter gegeben.
Heute ist der Fang bescheiden, das zeigt sich, als Johan und Freya nach einer Stunde wieder am Strand ankommen. Nachdem Johan die Krabben aus dem Netz genommen und den Beifang zurück ins Meer geworfen hat, verabschiede ich mich von ihm und mache mich auf zu seiner Frau Corinne. Sie ist die resolute Chefin im familieneigenen, urigen Gasthaus Estaminet de Peerdevisscher im Ortsinneren von Oostduinkerke.
Rustikal und echt lokal
Es geht rustikal zu in der Gaststube und auf der Terrasse. Rot-weiß karierte Tischdecken, historische Fotos an den Wänden und auf dem Teller flämische Hausmannskost. Die Gäste kennen sich, viele kommen regelmäßig zum Mittagessen, für das man vorab reservieren muss.
Daneben gibt es eine übersichtliche Karte mit Snacks und Gerichten, die immer erhältlich sind, so wie meine mit Krabben gefüllte Tomate, ein Klassiker der Küche Flanderns. Die Krabben sind allerdings nicht von Johan, eingekauft wird für das Restaurant auf dem Fischmarkt in Zeebrügge.
Die Krabben schmecken saftig und etwas süßer als die holländischen Verwandten und werden mit einer ordentlichen Portion vlaamse frietjes und Mayonaise serviert.
Dazu trinke ich ein Glas Haus-Bier, ein Zwischending aus Rodenbach und Trappist, das von der Brauerei Strubbe in Ichtegem speziell für Corinne gebraut wird. Ein großartiger Abschluss meines Ausflugs mit der Kusttram nach Oostduinkerke zu den Pferdefischern.
Infos
Pastoor Schmitz Straat 4
8670 Oostduinkerke
Das Gasthaus liegt circa 2 Kilometer von der Kusttram entfernt.
Termine für die Ausritte der Pferdefischer sind hier bis Ende September 2016 aufgelistet. Die Fischer starten von der Astridplein, die gleich bei der Kusttram-Haltestelle Oostduinkerke-Bad liegt.
Neben dem Gasthaus de Peerdevisscher liegt übrigens das sehr sehenswerte Fischereimuseum, das einen ausführlichen Überblick über die Geschichte der Fischerei in Flandern bietet.
Die Serie über Flanderns Küste auf EINTOPFHEIMAT erscheint anläßlich der Frankfurter Buchmesse 2016, auf der sich die Niederlande und Flandern als Ehrengäste präsentieren. Mehr Reisetipps, Leseempfehlungen und viele Rezepte findest du auf meiner Sonderseite Niederlande / Flandern kulinarisch.
Die Reise nach Flandern wurde vom Tourismusbüro VisitFlanders unterstützt.
Danke Barbara,
mit diesem Bericht hast Du mich dazu animiert endlich unseren Plan nach Oostduinkerke zu fahren, wahrzumachen.
Vielleicht schon übernächste Woche.
Wir leben i.d. Nähe von Venlo da haben wir 300 km zu fahren.
Hast Du einen Hoteltip oder B&B für uns bitte.
Herzliche Grüße
Ingrid
Hallo Ingrid, ich habe im Grand Hotel Belle Vue in De Haan übernachtet, so weiss ich leider nicht wo man in Oostduinkerke gut logiert. Die Pferdefischer hören übrigens am 24 September auf, für Touristen zu fischen. Dann machen sie das für sich. Ich weiss nicht, wann die Termine sind. Am besten vielleicht im Gasthaus zum Peerdevisscher fragen, wenn Ihr das beobachten wollt. Die Zeiten richten sich nach Ebbe und Flut und dem Wetter.