Amsterdam ist im Vermeer Fieber. Seit dem 10. Februar 2023 lockt das Rijksmuseum mit einer einzigartigen Ausstellung: 28 Gemälde des niederländischen Künstlers werden präsentiert, darunter auch das berühmte Melkmeisje. Es ist die bislang umfangreichste Werkschau Johannes Vermeers, dem bislang nur 37 Werke zugeschrieben werden können. Das Interesse ist bombastisch: Weit über 200 000 Eintrittskarten wurden schon vor Ausstellungsbeginn verkauft. Im Augenblick sind alle Tickets vergriffen, das Museum prüft aber, ob es Nachschub bereitstellen kann. Ich hatte noch Glück und konnte mir den Eintritt für Anfang Mai (!) sichern.
Bis dahin muss ich von den Erinnerungen an frühere Besuche im Rijksmuseum zehren, das eines meiner Lieblingsbilder von Vermeer besitzt: Het Melkmeisje. Eigentlich ist dieser niederländische Titel falsch, denn ein Melkmeisje, ein Milchmädchen, trug damals die Milch aus, brachte sie also an die Haustür. Die Frau in Vermeers Bild hingegen arbeitet im Haus, ihr schreiben die KunsthistorikerInnen aufgrund ihrer Kleidung und ihrer Kopfbedeckung den Rang einer Hausangestellten zu. Im Deutschen heißt das Werk deswegen Dienstmagd mit Milchkrug.
Vermeer und die Dienstmagd mit Milchkrug
Das ikonische Gemälde vereint alle Vermeer Stilelemente: den meisterhaften Umgang mit Licht und Farbe, die sorgfältige Bildkomposition und die Individualität der dargestellten Personen. Die Dienstmagd gießt Milch aus einer Kanne in einen irdenen Topf. Die Ärmel ihrer gelben Bluse hat sie hochgekrempelt, unter der blauen Schürze lugt ein roter Rock hervor. Auf dem Tisch steht ein Korb mit einem runden Brotlaib, einzelne Brotstücke liegen beiläufig auf dem Tafelkleid. Sanftes Tageslicht fällt durch das Fenster in den Raum, erhellt die nackte Wand im Hintergrund und die Frauenfigur am Tisch. Es ist eine beiläufige Szene, die sich in den Häusern des Delfter Bürgertum im 17. Jahrhundert sicher täglich vielfach abspielte. Und doch ist sie einzigartig, weil Vermeer eine scheinbar nebensächliche Handlung in den Fokus rückt. Nichts in der Welt scheint für die Frau im Bild in diesem Augenblick wichtiger zu sein als das Eingießen der Milch. Konzentriert und ganz bei sich wirkt sie, achtsam und in sich ruhend. Diese innere Gelassenheit zeichnet auch die Figuren vieler anderer Vermeer Werke aus, Zeit und Raum sind ihnen vollkommen nebensächlich. Vielleicht ist es diese Ruhe, die uns moderne Menschen so an Vermeers Figuren fasziniert: keine Ablenkung durch Handys, kein Multitasking, nur die Konzentration auf das Hier und Jetzt. Der Filmkritiker Béla Balázs sagte über die Fotografie, sie generiere »moments frozen in time«. So wirken auch die Figuren Vermeers, sie verharren im Augenblick und regen gleichzeitig den Betrachtenden an, über diesen Moment hinaus zu denken.
Fantastischer Brotauflauf
Ich habe die Dienstmagd mit Milchkrug schon einige Male bei früheren Besuchen im Rijksmuseum betrachtet und mir jedes Mal überlegt, was vor diesem in der Zeit eingefrorenen Augenblick geschehen war und was danach geschehen würde. Und was es wohl mit den Brotstücken auf dem Tisch auf sich hat. Liegen sie nur zufällig dort? Wird die Dienstmagd die Milch im Topf gleich erwärmen und die Brotstücke hineingeben, um eine einfache Suppe zu machen? Oder wird sie einen vielleicht in einen Brotauflauf daraus backen?
Als ich das Bild letzte Woche in der Zeitung sah, habe ich meine Gedankenspiele einfach in die Tat umgesetzt und mit der Milch und dem altbackenen Brot, das ich im Haus hatte, einen Brotauflauf gemacht. Mit zeitgenössischen Rezepten aus dem 17. Jahrhundert hat er sicher nichts gemeinsam, denn Rezepturen und Getreidearten waren anders. Ich finde aber, das macht nichts. Vielmehr ist er ein Beispiel dafür wie Kunst über die Jahrhunderte hinweg die Fantasie anregen und so eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart schaffen kann.
Weitere Infos zu Vermeer
Vermeer – Die größte Werkschau aller Zeiten, Ausstellung im Rijksmuseum Amsterdam. 10. Februar – 4. Juni 2023
Mehr Information zur Ausstellung findest du auf der Website des Rijksmuseums
Filmtipps
Filmfans kennen sicher die Literaturverfilmung des Romans Das Mädchen mit dem Perlenohrring von Peter Webber aus dem Jahr 2003. Die Hauptrolle spielt Scarlett Johansson, Vermeer wird von Colin Firth verkörpert.
Mit Vermeer beschäftigt sich auch der Kurzfilm Light in the Window von Jean Oser aus dem Jahr 1952, der mit einem Oscar ausgezeichnet wurde.
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Brotauflauf mit Äpfeln und Walnüssen
Ingredients
- 250 g altbackenes Brot
- 50 g Walnüsse
- 500 ml Milch
- 1/2 TL Vanille, gemahlen
- 2 große Äpfel
- 60 g brauner Zucker
- 1 TL Zimt, gemahlen
- 4 Eier
- 30 g Butter, plus etwas Butter zum Einfetten der Form
- Puderzucker zum Garnieren
- Auflaufform
Instructions
- Backofen auf 180 °C Ober-/Unterhitze vorheizen.
- Brot in grobe Würfel schneiden. Walnüsse hacken. Beide Zutaten in eine Schüssel geben.
- Milch und gemahlene Vanille verrühren und ebenfalls in die Schüssel geben. Alles gut verrühren und 10 Minuten ruhen lassen.
- Äpfel waschen, vierteln und Kerngehäuse entfernen. Apfelscheiben in dünne Scheiben hobeln. 30 g Zucker mit dem Zimt vermischen und zu den Äpfeln geben. Alles gut vermischen. Die Apfelscheiben zur Brotmischung geben.
- Eier aufschlagen, mit dem restlichen Zucker cremig verrühren und über die Brot-Apfel-Masse gießen. Alles gut vermischen.
- Auflaufform mit Butter einfetten und die Masse hineingeben. Masse glattstreichen und darauf achten, dass sie gleichmäßig verteilt ist.
- Auf der mittleren Schiene circa 45 Minuten backen. 10 Minuten vor Ende der Backzeit 30 g Butter in kleinen Flöckchen auf den Auflauf setzen und schmelzen lassen.
- Der Auflauf ist fertig, wenn die Eiermischung fest ist. Mit einem Holzspieß kannst du das testen. Damit in die Mitte des Auflaufs stechen. Bleibt kein Teig kleben, ist der Auflauf gar.
- Den Auflauf warm oder kalt genießen. Dazu passt typisch holländisch Vanillevla.
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