Kurz vor dem Abschluss des Jakarta Food Journals tauche ich noch einmal mit Haut und Haaren ein in die Vielfalt der indonesischen Küche und nehme Platz an einer Tafel, an der ich mich quer durch das Land der tausend Inseln schlemmen darf, ohne auch nur einmal aufzustehen.
Tischlein deck dich bei William Wongso
Verantwortlich für die indonesische Variantes dieses Tischlein deck dich Erlebnisses ist William Wongso, von dem ich ja schon in meinen letzten Posts berichtet habe. William ist eine der zentralen Persönlichkeiten der Jakarta Food Szene, ein ausgewiesener Kenner der Landesküche und Inspirator einer Reihe von jungen Köchen, Journalisten und Autoren.
William hat viele Hüte auf: er ist Restaurant-Consultant, Food-Consultant, Fernsehpräsentator, kulinarischer Botschafter und Kochbuch Autor. Gerade redigiert er sein neuestes Werk Flavors of Indonesia, das im August 2016 bei Simon und Schuster erscheinen wird. William weiss nicht nur viel, er veranschaulicht auch gerne direkt, worüber er redet. Bei meinem ersten Besuch zum Beispiel taucht plötzlich mitten im Interview eine Mitarbeiterin mit einem gefüllten Hähnchen auf, das sein Koch Herman in der Küche unter dem Büro frisch zubereitet hat. Unnötig zu sagen, dass es exzellent schmeckt: eine Aromenwolke aus Nelken, Zimt und Kreuzkümmel breitet sich im Mund aus, die Kruste ist knusprig und das Fleisch butterweich. Ein paar Stunden, zwei Restaurantbesuche und viele gefüllte Teller später lädt William mich zum Lunch am nächsten Mittag ein, zu dem er ein „paar“ Freunde eingeladen hat, wie er es lapidar formuliert. Und er fügt noch an, dass ich Chefkoch Herman beim Zubereiten des Essens über die Schulter schauen könne.
Rasende Küchenreporterin
Das lasse ich mir natürlich nicht zweimal sagen und stehe am nächsten Morgen mit gespitztem Stift und aufgeladenem Kamera-Akku in der unscheinbaren Küche. Heiß ist es und feucht und noch bevor ich einen Finger gerührt habe, fühle ich mich schon wieder duschreif. Das Team um Herman sieht da deutlich frischer und gelassener aus. Herzlich nehmen sie mich auf und lassen geduldig alle Fragen und Fotos über sich ergehen. Und Spaß haben wir auch wie man auf dem Foto unschwer erkennen kann.
Speiseplan für leichten Lunch
Gleich neben der Türe hängt der Speiseplan für den Tag.
Das heißt, nur ein Teil des Speiseplans, was ich aber zu diesem Zeitpunkt aber nicht weiss. Denn ehrlich – für europäische Verhältnisse sind sieben Gerichte für einen leichten Lunch schon ziemlich üppig.
Herman legt auch gleich los mit dem Pepes La Lot. Was sich hinter dem wohlklingenden Namen verbirgt, darüber sinniere ich noch nach, als mir Assistent Danny schon ein Bündel tief grüner Blätter unter die Nase hält – das seien La Lot, die Blätter des wilden Pfeffers. Oft würden diese mit Betelblättern verwechselt, die sehr ähnlich aussehen, aber ganz anders schmeckten. Pepes nennt man in Indonesien die Methode des Garens im Bananenblatt. Ich kombiniere – in die La Lot-Blätter wird was gewickelt, und zwar Fisch, wie ich dann sehe. Denn Chef Herman schneidet bereits ein Stück japanische Makrele in Streifen und mixt eine Bumbu, also eine Würzpaste aus Chilischoten, Schalotten, Knoblauch,indonesischem Basilikum, Kurkuma und Lichtnüssen, in der er die Fischstücke kurz mariniert.
Dann rollt er sie geschickt in die Pfefferblätter und brät die Röllchen rund herum gar. Das war der erste Streich.
Im Eiltempo folgen weitere Gänge:
Ikan Asin Goreng – gesalzener getrockneter Fisch von den Kalimantan-Inseln, der frittiert wird
Ikan Bumbu Mangut – Fisch in einem mild-würzigen gelben Curry, das aus Kokosmilch, Kurkuma, Galgant, indonesischem Lorbeer sowie den üblichen Verdächtigen Schalotten und Knoblauch besteht.
Oseng Daun Pepaya – gekochte und danach gewokte Papayablätter mit scharfen Chili und Schalotten
Rindfleisch Rendang, das bereits gekocht ist und nur noch aufgewärmt wird.
Nasi Puthi – gedämpfter weißer Reis
Sambal Trassi – frisch gemörsertes Sambal mit Garnelenpaste
Ich folge Chef Herman vom Hackbrett zum Wok und vom Mörser zum Kochtopf und versuche, mir in rasender Reporter-Manier alles zu notieren, was er mir erzählt, während er routiniert seinen Speiseplan abarbeitet.
Regional-Küche aus Aceh
Als nach knapp zwei Stunden alle Gerichte in schönen Schalen vor uns stehen, kommt noch eine Ladung Essen, fein säuberlich verpackt in die Küche geflattert. Williams Fahrer hat sie eingeholt. Es sind Gerichte aus der Provinz Aceh, an der Nordwest-Spitze Sumatras. Die Region macht im allgemeinen wenig positive Schlagzeilen, denn hier dominiert eine ultrakonservative Variante des Islam. Es ist die einzige Provinz des gesamten Inselstaates, in der die Schari’a als Rechtsgrundlage gilt. Ein scharfer Kontrast zu dem offenen und toleranten Menschen, denen ich in Jakarta begegne. Ein wenig bin ich froh, dass ich in den Genuss dieser Regionalküche komme, ohne dorthin reisen zu müssen und ich bin gespannt, wie die Gerichte schmecken werden, wie hier das Lammcurry hier.
Der „leichte“ Lunch
Während Herman und sein Team weiter anrichteen, stapfe ich leicht derangiert, verschwitzt und hungrig die Treppe hoch in Williams Büro. Der große Arbeitstisch ist gedeckt und die „paar“ Freunde, die er mir angekündigt hat, sind in Wahrheit Kulinarikexperten in ihrem Fachgebiet. Sie kennen sich von der Frankfurter Buchmesse und wirken vertraut wie eine Großfamilie, die mich unprätentiös in ihre Arme schließt. Derweil füllt sich der Tisch mit Tellern und Speisen und noch mehr Tellern und Speisen. Besser kann es im Märchen vom Tischlein deck dich auch nicht gewesen sein. Namen von Gerichten schwirren durch die Luft, dass es mir ganz schwindelig wird. Ich bin ja bis zu einem gewissen Grad multitasking-fähig, aber Schreiben, Essen, Fotografieren und Reden im gleichen Moment – da bin ich überfordert.
Gutes Essen – Gute Gespräche
Astrid Enricka Dhita, die hier auf dem Selfie fröhlich präsent im Vordergrund steht, erbarmt sich meiner schließlich und notiert mir die Namen der Gerichte.
Sie stammt zwar nicht aus Aceh, sondern aus der nahe gelegenen Provinz Riau, ist aber Expertin für die Aceh Küche, die sie in ihrem eigenen Restaurant Ayam Tangkap auch serviert und die sie in internationalen Kochkursen unterrichtet. Das Besondere an den Speisen dieser Region ist, bedingt durch die geografische Lage, der Einfluss indischer und chinesischer Esstraditionen. Das beste Beispiel sind die Mie Aceh, dicke Nudeln (China), die in einer dicken, curry-ähnlichen Sauce auf Basis von Sternanis, Kreuzkümmel und Kardamom (Indien) serviert werden.
Typisch sind Lammgerichte wie Kare Kameng (rechts) oder ein scharfes Hühner-Curry namens Gulai Ayam Aceh (links). Dazu Keumamah, getrockneter Thunfisch, der auch Holzfisch genannt wird, weil der durch diesen Prozess sehr hart wird (Mitte hinten). In einer scharfen Sauce geköchelt lässt er sich aber wieder erweichen. Und schmeckt vorzüglich wie auch alles andere, was auf dem Tisch steht.
Nachdem ich von allen Speisen gekostet habe und meine Geschmacksnerven son ein bisschen verrückt spielen im Angesicht all der ungewohnten Aromen und Kombinationen, setzt Chef Herman noch eins drauf und bringt einen mir Nachtisch mit frittierten Won Tons, Mangostreifen, Erdnüssen und Schalotten. Auch der findet, oh Wunder, noch Platz und schmeckt wunderbar kross, süß und salzig.
Neue Freunde – Neue Erkentnisse
Nicht nur das Essen an diesem Mittagstisch ist für mich eine grandiose Erweiterung meiner kulinarischen Kenntnisse über Indonesien, auch die Gespräche mit William und seiner Gästeschar sind anregend und informativ. Von Santhi Serad (auf dem Gruppenbild oben 2.von rechts) zum Beispiel erfahre ich viel über den Teeanbau in Indonesien, über den sie ein Buch mit wunderschönen Fotos veröffentlichen wird: Leaf it to Tea. Die Energie und der Enthusiasmus dieser Gruppe von leidenschaftlichen Foodies beeindruckt mich mindestens genauso wie die indonesische Küche, auch jetzt noch, zwei Monate später und zurück in Holland, während ich diesen Post des Jakarta Food Journal schreibe:
„I send my regards and a big thank you to you William and all the rest of this group. Miss you, your energy, enthusiasm and the wonderful Indonesian food!“
Bleibt mir nur noch zu hoffen, dass es dir als Leser/in Spaß gemacht hat, mir durch das kulinarische Jakarta zu folgen. Ein „Best of Culinary Jakarta“ mit Tipps und Adressen wird das Jakarta Food Journal abschließen.
Das sind die weiteren Artikel des Jakarta Food Journal:
Jakarta Food Journal 1: Die Stadt, die Menschen und das Essen
Jakarta Food Journal 2: Nose-to-Tail Küche – Sop Buntut und Soto Betawi
Jakarta Food Journal 3: Saté, Saté, Saté
Jakarta Food Journal 4: Hotel Kosenda – Cool Place, Cool People, Cool Atmosphere
Jakarta Food Journal 5: Street Food – süße und herzhafte Snacks
Jakarta Food Journal 6 – Rezepte: Soto Betawi
Jakarta Food Journal 7 – Rezepte: Kohu Kohu – scharfer Kokos-Räucherfisch-Salat
Diese Reise wurde vom indonesischen Ministerium für Tourismus organisiert.
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