Yotam Ottolenghi: Mezze modern im NOPI

Ich war neugierig. Sehr neugierig. Auf das NOPI, das neue Restaurant von Londons In-Koch Yotam Ottolenghi und seinem Team. Hatte viel darüber gelesen, ihm einen virtuellen Besuch abgestatt und ausführlich die Speiskarte studiert. Nun wartete ich auf eine Gelegenheit, selbst an einem der Tische der vielgerühmten „Brasserie with a twist“ in Soho Platz nehmen zu können. Vor ein paar Tagen war es so weit.

Küchenteam in die Töpfe schauen

Reserviert hatte ich schon Wochen vorher über das sehr handliche „Open Table“ Buchungssystem, über das man mit wenigen Klicks den gewünschten Tag, die Zeit und die Anzahl der Gäste eingibt und wenig später via email eine Bestätigung bekommt. Man kann auch direkt auswählen, ob man im schlichten, aber eleganten Teil des Restaurants im Erdgeschoss tafeln möchte, oder lieber an einem der überdimensionalen Tische im Keller Platz nehmen und dem Küchenteam bei der Arbeit zusehen möchte. Ich entschied mich für die zweite Option und wurde nicht enttäuscht. Die große Öffnung zur hell erleuchten Küche wirkt in dem ansonsten einfachen, dezent beleuchtetem Raum fast wie eine Kinoleinwand, auf dem eine kulinarische Geschichte erzählt wird, die ihre Wurzeln in der Herkunft Yotam Ottolenghis hat.

Yotam Ottolenghi im NOPI

steinbauer-groetsch©2011

Nicht nur für Young Urban Professionals

Der vielgelobte Chef wurde in Jerusalem als Sohn eines Chemieprofessors mit italienischen Wurzeln und einer Mutter mit deutschem Hintergrund geboren. Nach einem kurzen Ausflug in den Journalismus vertauschte er den Stift mit dem Kochlöffel und starte seine kulinarische Karriere in London. Auf die Ausbildung an der berühmten Kochschule Le Cordon Bleu in London folgten Stationen in diversen Restaurants der Stadt. 2002 eröffnete er seinen ersten Laden, ein Gourmet Take-Away, in dem er die kulinarischen Traditionen des Nahen Ostens mit mediterranen Einflüssen mischte. Salate, gegrilltes Gemüse, Brot und Kuchen warten in mittlerweile vier Filialen in großen Schalen und Etagieren darauf, von vielbeschäftigten Young Urban Professionals und hungrigen Essern aus der Nachbarschaft nach Hause getragen zu werden. Alles wird täglich frisch aus ausgesuchten Zutaten zubereitet und durchläuft die Qualitätskontrolle des Chefs.

Kulinarische Traditionen

Auch das NOPI steht in der kulinarischen Tradition des Nahen Ostens. Dazu kommt ein deutlich spürbarer asiatischer Einfluss. Die Zutaten sind frisch und von erster Qualität, wie die offenen einsehbaren Lagerregale betätigen.

Yotam Ottolenghi im NOPI London

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Das Mezze-Prinzip

Beim Servieren der Gerichte verzichtet Ottolenghi auf die klassische Speisenfolge Vorspeise – Hauptgang – Dessert. Vielmehr bietet die Karte viele kleine Gerichte, die wie bei einer Mezze, dem Hochamt der Küche aus der Levante und dem nahem Osten, nach und nach auf den Tisch kommen. Dazu reicht des aufmerksame Servier-Team dicke Scheiben selbstgebackenes Brot und ein Schälchen Olivenöl.

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Das Konzept der Mezze ist ein gastronomischer Gegenentwurf zur traditionellen singulären Essensaufnahme, der gut ankommt bei den Gästen. Man teilt nicht nur den Tisch, sondern auch die Speisen auf ihm und schafft damit ein Gemeinschaftserlebnis, das viele Großstädter in ihrem Alltag vermissen. Mir ist die Mezze aus meinen Jahren im Nahen und Mittleren Osten bestens vertraut, deshalb freute ich mich besonders über Ottollenghis kulinarische Neu-Interpretation der klassischen Küche dieser Region.

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Das Prinzip ist einfach. In der Kategorie Gemüse, Fisch, Fleisch und Süßes kann man aus je sieben Gerichten auswählen. Zu dritt entschieden wir uns nach einiger Diskussion für sieben verschiedene herzhafte Speisen. Der kundige Kellner empfahl einen Aglianico del Vulture 2008 zum Essen – einen roter Wein, dessen Trauben auf vulkanischen Boden gereift waren und der sich deshalb durch feine Säure und Mineralität auszeichnete.

Das Menü

Dann ging es auch schon los. Die frittieren Blumenkohl-Röschen, die man auch in der klassischen Mezze findet, kamen durch Ricotta, Rosien und Kapern ganz frisch und modern daher.

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Die auf Holzkohle gegrillten Brokkoli, Skordalia (ein Knoblauchpüree) und Chili-Öl hatten einen wunderbaren kräftigen Geschmack und waren noch leicht bissfest.

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Und im Fünf-Gewürze-Tofu auf einer Passata aus Tomaten und Kardamon sowie Auberginen verbanden sich westliche und östliche Einflüsse ganz harmonisch.

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Die beiden Fischgerichte, die wir gewählt hatten, waren ebenfalls raffinierte Interpretationen traditioneller Aromen: der außen knusperige, innen butterzarte Baby-Squid mit Limonen-Relish und Mandel-Tartar schmeckte nicht fade , sondern raffiniert…

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… das biologische Forellen- Bulgur-Tatar mit Zitronen-Salsa zerging auf der Zunge und hinterließ einen Hauch von säuerlicher Frische . So hatte ich Forelle noch nie genossen.

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Die Geflügel- und Fleischgerichte, die zuletzt serviert wurden, rundeten das einzigartige Geschmackserlebnis ab: Zweimal gekochtes Baby-Huhn mit Limone-Myrte-Salz und Chilli-Soße …

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… und gebratene Lenden-Scheiben von Rind auf Spinat, Mandeln und Pecorino Sardo.

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Obwohl die Portionen nicht üppig sind, wurden wir auf angenehme Weise satt, ohne uns voll zu fühlen. Und – es war noch Platz für ein Dessert. Hausgemachtes Karamell-Eis, Schokoladen-Kuchen …

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und ein orientalischer Vanille-Reispudding mit gerösteten Pistazien und Rosenblättern, auch hier hielten wir uns ans Teilen und gerieten gemeinsam ins Schwärmen.

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In der Küche stand Ottolenghi nicht an diesem Abend, aber als wir das Restaurant verließen, war er am Ausgang in ein Gespräch mit Gästen vertieft. Der freundliche Chef hat inmitten der hektischen Londoner Innenstadt eine Oase des Geschmacks geschaffen, in der nur eines wichtig ist: aus den besten und frischesten Zutaten wunderbare Gerichte zu kreieren. Einziger Wermutstropfen: die auch für Londoner Verhältnisse gehobenen Preise.

Mehr Infos

Im NOPI kann man auch frühstücken und lunchen. Reservierungen, Öffnungszeiten, Menü- und Weinkarte , sowie lange und Anfahrt auf der Website. Für Ottolenghi Fans gibt es zwei Kochbücher des Meisters: Ottolenghi mit Rezepten aus seinen Deli-Shops und Plenty, ein Schatz für Vegetarier. (Deutscher Titel: Vegetarisch genießen) mehr zu diesem Buch findest du hier.

 

3 Kommentare
  1. Danke für den Bericht! Wäre auch auf meiner Liste für den nächsten London-Besuch. Ich war 2009 in Ottolenghis Deli in Islington. Seine feinen Salate und Geschmackskombinationen sind mir immer noch in guter Erinnerung. http://www.foolforfood.de/index.php/restaurants/ottolenghi-das-restaurant
    Seine beiden Bücher gefallen mir auch sehr gut.

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