Der Wettergott zeigte gestern Mittag über Amsterdam mal wieder alle seine finstersten Künste. Heftiger Wind, strömender Regen und eine unwirtliche Kälte ärgerten uns, als wir vor dem Restaurant des Food Film Festival auf Einlass warteten. Drinnen war das scheußliche Schietwetter augenblicklich vergessen, denn zwei der Spitzenköche der der europäischen Gastro-Szene nahmen uns für ein paar Stunden mit in ihre kulinarische Welt der innovativen mediterranen Küche: Jacques und Laurent Pourcel vom Sterne-Restaurant Jardin des Sens in Montpellier.
Crowd Funding fürs Pop-up Restaurant
Der Lunch mit den legendären Koch-Zwillingen war der krönende kulinarische Abschluss des diesjährigen Food Film Festival Amsterdam in der Westergasfabriek. Früher wurde hier Gas für die Stadtbeleuchtung hergestellt, heute ist der Ort ein Kulturzentrum. Am Wochenende drehte sich alles um Filme und Diskussionen über die Zukunft der Nahrungsmittel-Produktion. Wegweisend waren die Veranstalter auch bei der Finanzierung des Pop-up Restaurants in einer der leeren Industriehallen. Die 15 000 Euro, die dafür nötig waren, steuerten Besucher über einen extra-Beitrag in den Eintrittskarten für den Pourcel-Lunch und bei anderen kulinarischen Veranstaltungen bei. Crowdfunding von Gästen für Gäste.
Die Atmosphäre gestern im Restaurant hatte etwas von einem großen Familientreffen, bei dem jeder so sein konnte, wie er war. Jung saß neben Alt, Schick neben Lässig, Gastro-Kenner neben kulinarischen Neulingen. Eine ganze Armada aufmerksamer junger Service-Kräfte kümmerte sich um uns und die restlichen 150 Esser. Freundlich wurden wir an unseren Tisch gelotst, mit präzisem Timing kam jedes Gericht des vier-gängigen Menüs auf den Tisch, auf Wunsch mit dem passenden Wein.
Am hinteren Ende der Halle zeigten die Brüder Pourcel mit einer nicht weniger großen Küchentruppe, was es heißt, für eine Menge von Gästen auf höchsten Niveau zu kochen und sich dabei nicht von neugierigen Blicken und klickenden Kameras aus der Ruhe bringen zu lassen.
Gelassenheit und Routine
In dem Dokumentarfilm L’Universelle des Pourcel, den wir nach dem Lunch sahen, konstatiert Laurent, dass er nicht ohne seinen Bruder Jacques arbeiten könne und wolle. Genau das spürt man, wenn man sie beobachtet. Ein unsichtbares Band scheint zwischen ihnen geknüpft zu sein. Dabei strahlen die Zwillinge inmitten der Betriebsamkeit die gelassene Routine von Profis aus, die seit Jahrzehnten im Geschäft sind.
Die Brüder Pourcel gelten als eine der wichtigen Erneuerer der französischen Küche. Die Söhne eines Winzers aus Adge verbinden dabei klassische Elemente mit neuen Aromen. Basis ihrer Kreationen ist die mediterrane Küche ihrer Heimat Südfrankreich, die sie mit kulinarischen Einsprengseln aus den Nachbarländern Spanien, aber auch aus Nordafrika verfeinern. Seit 1998 kochen sie in ihrem Restaurant Jardin des Sens (Garten der Sinne) auf Sterne-Niveau und kultivieren dabei eine Vielzahl von Aromen zu einem harmonischen Geschmackserlebnis.
Unterstützung durch den Nachwuchs
Unterstützt wurden Jacques und Laurent Pourcel beim Food Film Festival von zwei ihrer ehemaligen Schüler. Der jüngste Sternekoch der Niederlande, Joris Bijdendijk (Restaurant Bridges, Amsterdam), war für das Vorgericht zuständig. Jim de Jong ((Restaurant De Jong, Rotterdam) entwickelte das Zwischengericht. Die Brüder Pourcel richteten den Hauptgang an und Alain Caron, alter Freund und bekannt von der TV-Sendung Masterchef Holland, kreierte mit seinen Kandidaten das Dessert. Gastsommelier Gilles Faellens suchte zu den Gerichten die Weine aus.
Und das lag auf unserem Teller
Charcuterie von Brandt & Levie
Vorspeise
Gebratene Langustine mit Forellen-Kaviar, Currycrème & gerösteter wilder Quinoa
(Joris Bijdendijk)
Ein ungewöhnliches Geschmackserlebnis: krokanter Quinoa, zarte Langustine, würzige Currysoße.
Wein: Chateau Puy Servain Cuvée Marjolaine, Montravel 2011, Frankreich
Zwischengericht
Weißer Spargel mit Spargel-Bouillon, Kalamata-Oliven & Olivenöl
(Jim de Jong)
Überraschender Effekt: beim Biss auf die „Olive“ füllte ein konzentriertes, flüssiges Oliven-Aroma dem Mund.
Wein: Domaine Chiroulet, Gros Manseng, Côtes d’Heux, Gascogne 2012, Frankreich
Hauptgericht
Tarte Tatin von der Schalotte, gebackener Seebarsch, Erbsen-Püree, Rote Weinreduktion & Schinkenchip
(Jacques und Laurent Pourcel)
Der Fisch auf den Punkt, die Tatin himmlisch, die Weinreduktion kräftig. Und alles zusammen harmonisch und rund.
Wein: Toques et Clochers, Terroir Océanique, Limoux 2011, Frankreich
Dessert
Karamellisierte Ananas mit Schokolade von Tony Chocolonely
(Alain Caron)
Für mich ganz wichtig: nicht zu süß, wie sonst oft in Holland üblich. Lecker!
Wein: Muscat de Rivesaltes, Domaine Pouderoux 2012, Frankreich
Es war die Kombination aus sinnlichem Genuss und unbeschwerter Atmosphäre, die bei mir eine bleibende Erinnerung hinterlassen wird. Diese Mischung aus Entspanntheit und Organisation, aus Flexibiltät und Funktionalität, das gibt’s so nur in Holland. Als wir nach dem Film film über die Brüder Pourcel und der Dokumentation Inside the best restaurant in the World: El Celler de Can Roca beschwingt und zufrieden zum Parkplatz liefen, hatte sogar der Wettergott kurzfristig ein Einsehen und wartete mit dem nächsten Regenschauer, bis wir im Auto saßen. Merci!
Film Food Festival Amsterdam ist eine Initiative des Youth Food Movement.
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